"So wie du bist, so wie du lebst, bist du wertvoll."
Trans*identität – ein Überblick
Neugeborenen wird üblicherweise das Geschlecht bei oder kurz nach der Geburt zugewiesen und damit auch seine Geschlechtsidentität bestimmt. Das erfolgt meist mittels Beurteilung der sichtbaren primären Geschlechtsmerkmale. Erkennbare Variationen, als Abweichungen von der Norm, werden dabei vielfach operativ an ein Geschlecht angeglichen. Diese weitverbreitete heteronormative Herangehensweise in binären Gendergrenzen lässt somit die Möglichkeit eines dritten Geschlechts außer Acht, obwohl uns keine Verfahren zur Verfügung stehen, die Identität eines Menschen von außen zu bestimmen. Diese Denkweise bezieht die Vielfalt des menschlichen Lebens nicht mit ein.
Wie die Identitätsbildung in mannigfachen Bereichen der lebenslangen menschlichen Entwicklung kennt auch die geschlechtliche Identitätsbildung Veränderungsprozesse, weitere Varianten, die oft einhergehend mit der Infragestellung der Binarität der Geschlechter im Verlauf des Lebens erfolgt.
So kann anstelle der heteronormativen Cis*identität eine Trans*identität treten und die zugewiesene Geschlechtsidentität in Frage stellen und ersetzen. Entwicklungen von Cis*frauen zu Trans*männern und weiter zu Männern, Entwicklungen von Cis*männern zu Trans*frauen und weiter zu Frauen, wie auch alle Variationen dazwischen und außerhalb dieser Binarität sind möglich.
Trans*menschen sind dabei höchst vielfältig, was sie jedoch gemeinsam auszeichnet sind
- die Überzeugung, nicht dem biologischen, sondern einem anderen Geschlecht anzugehören,
- der Wunsch, in der Rolle des anderen Geschlechts zu leben und unter Umständen den Körper soweit wie möglich dem anderen Geschlecht anzugleichen
- unter Umständen der Wunsch nach Personenstandsänderung, also Anerkennung als Frau der Trans*frau und Mann des Trans*mannes
Wichtig scheint an diesem Punkt die Unterscheidung zwischen Identität und sexueller Orientierung als voneinander unabhängigen Dimensionen. Bei Cis*- wie auch Trans*menschen treffen wir heterosexuelle, bisexuelle und homosexuelle Orientierungen an, wobei ein großer Teil der Trans*menschen nach der Transition gleichgeschlechtliche Partnerschaften eingeht.
Die Geschlechtsidentität entwickelt sich ab der Geburt, unterliegt dabei biologischen, psychischen und sozialen Einflüssen und ist etwa gegen Ende des zweiten Lebensjahres etabliert. Das Kind erlebt in diesen zwei ersten Lebensjahren seine Eltern nicht in ihrer geschlechtlichen, sondern sozialen Rollen und differenziert dabei sowohl diese als auch sich selbst nicht in geschlechtsspezifischen Kategorien.
Entwickeln Kinder ihre Identität entgegen der biologisch zugewiesenen, so ist dies für sie zunächst nicht konflikthaft. Jedoch reagieren Eltern in unserer heteronormativen Gesellschaftsstruktur auf ihre Kinder meist geschlechtsrollenstereotyp, betrachten und erziehen ihre Kinder nach diesen Wertvorgaben und Normen. Damit beginnen transidente Kinder ihr „Anderssein“ konflikthaft wahrzunehmen, unter den sozialen Forderungen zu leiden und einen geradezu verzweifelten Kampf gegen sich selber, oftmals mit einer intensiven, lange währenden Auseinandersetzung damit, ein der Identität entsprechendes Leben zu führen. Durch die oftmals Jahre oder Jahrzehnte andauernde Verheimlichung der wahren Identität kann es zu enormen Belastungen, Depressionen und weiteren psychischen Störungen bis hin zu suizidalen Tendenzen kommen.
Den bereits genannten Herausforderungen des Prä-coming-out, als Phase des inneren Gewahrwerdens und Akzeptanz der Transidentität folgen die der Coming-out-Phase, des Hinaustretens mit der Information, transident zu sein – ohne dadurch eine andere Person geworden zu sein – mit all den dazugehörigen Ängsten eventueller Entwertung und Diskriminierung. Dazu kommen teils massive Belastungen im Rahmen der Transition, in Form psychischer und gesundheitlicher Beschwerden während der Hormonbehandlung, operativen Angleichung und im Rahmen der Personenstandsänderung. Trans*menschen sollen dabei selbst bestimmen, welche Schritte sie zu welcher Zeit tun. Durch die gewählten Schritte der Angleichung des Körpers an das Geschlecht fühlt sich die Trans*person nun endlich „ganz“ und „identisch“ mit sich selbst.
Coming-out ist ein lebenslanger Prozess bei dem es in der Integrationsphase gilt, die Akzeptanz der Transidentität und den Selbstwert hin zu einer Trans*pride zu stärken.
Nicht selten auch aufgrund rechtlicher Auflagen und um Coming-out, Transition und die nachfolgende Integration mit Fragen zu rechtlichen Bestimmungen, realistischen Zielen, Kostenersatz durch die Krankenkassen uvm. möglichst optimal zu durchlaufen, begeben sich Trans*personen vielfach in einen trans*affirmativer Coachingprozess bzw. Psychotherapie.
Eine weitere Gruppe, die ebenso Beratung benötigt, sind nahe Angehörige, Familie, Freunde und Kollegen in der Arbeit, die einerseits Bewältigungsstrategien im Umgang mit der für sie neuen, oft überfordernden Situation benötigen und andererseits ihren eigenen, sekundären Coming-out-Prozess durchleben, wobei es Mut braucht, Solidarität mit der Trans*person zu zeigen und Vorurteile anderer als solche zu benennen und zurückzuweisen.
Weblinks
Überblick Begriffserklärungen: https://www.transx.at/Pub/TransWas.php
Lexikon > Transsexualität: https://www.familienberatung.at/lexikon/transsexualitaet
Empfehlungen für den Behandlungsprozess bei Geschlechts-Dysphorie bzw. Transsexualismus: https://www.sozialministerium.at/site/Gesundheit/Gesundheitsfoerderung/Psychische_Gesundheit/Transsexualismus_Geschlechtsdysphorie/
Geschlechtswechsel: https://www.wien.gv.at/menschen/queer/transgender/geschlechtswechsel/
Körperlicher Geschlechtswechsel durch medizinische Behandlung: https://www.wien.gv.at/menschen/queer/transgender/geschlechtswechsel/koerperlich/
Rechtliche Anerkennung im eigenen Geschlecht: https://www.wien.gv.at/menschen/queer/transgender/geschlechtswechsel/rechtlich/
Transgender (wikipedia): https://de.wikipedia.org/wiki/Transgender
Intersexualität (wikipedia): https://de.wikipedia.org/wiki/Intersexualit%C3%A4t
Psychosoziale Beratung: https://www.courage-beratung.at/beratung
TransX - Verein für Transgender Personen: https://www.transx.at/index.php
Trans-Austria: http://www.trans-austria.org/trans-austria/
TransGender in Österreich: http://transgender.at/index.html
Die Idee zu diesem Artikel stammt aus den Büchern „Anne wird Tom – Klaus wird Lara – Transidentität / Transsexualität verstehen“ und „Transsexualismus – Genderdysphorie – Geschlechtsinkongruenz – Transidentität: Der schwierige Weg der Entpathologisierung (Psychodynamik kompakt)“ des Professors für Klinische Psychologie, Psychoanalytikers und Psychotherapeuten Udo Rauchfleisch. Bildnachweis: Photo by Sharon McCutcheon from Pexels