„Du und ich – wir sind eins. Ich kann dir nicht wehtun, ohne mich zu verletzen“ Mahatma Gandhi (1)
So vielfältig in Intensität, Würze und Aroma wie so manches Kaffeesortiment gestaltet sich der Raum zwischen menschlichen Individuen. Je konkreter dieser Beziehungsraum wird, desto emotionaler und in der Intimität auch erotischer füllt und fühlt er sich an.
Doch was treibt uns an, solch einen Beziehungsraum aufzubauen und zu betreten? Das Bedürfnis nach Nähe, nach Liebe, die Lust auf sexuelle Begegnung?
Wir folgen dem Grundimpuls nach Kontakt, dem Grundbedürfnis nach Verbindung, dem tiefen Verlangen nach Eins-Sein mit uns selbst, dem Gegenüber und dem ganzen Universum. Wir sind in Beziehung geboren, in Beziehung verletzt und werden in Beziehung geheilt. – Wir sind Beziehung!
Damit sind wir auch der Raum in der Beziehung und zwischen den Beziehungspartnern. Martin Buber(2) bezeichnet diesen Zwischenraum, diesen kleinen Bindestrich zwischen „ICH-DU“ in seiner dialogischen Weltsicht als den wesentlichen Raum der persönlichen menschlichen Entwicklung, unseres Wachstums, unserer Reifung bis zur Ganzwerdung.
So wählen wir auch unseren Partner, unsere Partnerin aus dem defizitären Wunsch heraus uns ganz zu fühlen und mit dem Auftrag uns ganz zu machen. Er oder sie soll die Lücken füllen, die dadurch entstanden sind, dass wir unsere ursprüngliche Ganzheit und Verbundenheit im Zuge des Heranwachsens, der Sozialisierung geopfert haben. Wem geopfert? Geopfert der Konformität, den Anforderungen der Gesellschaft, der bedingten Zuwendung unserer Eltern und Bezugspersonen.
Partnerwahl – nochmals aufgebrühter Kaffee
Schon fängt uns das Aroma des Gegenübers. Es umspielt uns, wir kennen es gut. Vielleicht den belebenden Duft, den bitteren Genuss am Gaumen, den bröseligen Sud zwischen den Zähnen, wenn‘s zu Ende geht? Doch woher ist er oder sie uns so vertraut, nimmt uns so in den Bann?
Wir wiederbeleben unbewusst ein Spiel, dass noch nicht zu Ende ist. Wir kennen es aus unserer Kindheit mit unseren Eltern oder entsprechenden Bezugspersonen. Wir waren damals die Verlierer dieses Spieles, noch zu klein, zu wehrlos, zu abhängig. Und so suchen wir uns nun neue Mitspieler, nennen wir sie hier Partner und Partnerin, die die Spiele unserer Kindheit erneut mit uns durchleben. Um zu vervollständigen, was uns damals nicht gelungen ist: die kindlichen Interaktionen mit unseren Eltern in unserem Sinne zu Ende zu bringen, zu gewinnen.
Worum ging es damals? Von unseren Eltern gehört, gesehen, verstanden und geschätzt zu werden!(3) Viel zu oft wurde dies den meisten von uns versagt und so tragen wir deutliche Kindheitsverletzungen mit uns bis ins Erwachsenenalter hinein. Diese Wunden sind in Beziehungen entstanden und um sie zu schließen, zu heilen braucht es genau die Qualitäten, die uns in der Kindheit so sehr gefehlt haben: gehört, gesehen, verstanden und geschätzt zu werden – ohne Bedingungen, ohne Pakte, ohne Gegenleistungen. Einfach, weil wir es wert sind geliebt zu werden wie wir sind. Um das zu erfahren braucht es neue Beziehung.
Partnerwahl – die perfekte Mischung macht das Aroma
Wir geben uns redliche Mühe bei der Wahl des richtigen Partners, der perfekten Partnerin die uns heilen sollen. Wir sondieren, taktieren, gustieren – bis wir die richtige Mischung gefunden haben. Doch wie sieht diese perfekte Zusammensetzung aus, die den Traumpartner, die Traumpartnerin ausmacht? Wir tragen ein klares Bild von ihm oder ihr in uns mit, ständig und unbewusst. Wir scannen unser Gegenüber und gleichen es mit diesem Bild ab, unablässig. Mit dem Bild der positiven und vor allem negativen Eigenschaften unserer ersten Bezugspersonen, meist der Eltern und Geschwister – unserem Imago(4). Wenn das Gegenüber damit in Deckung geht eröffnen wir die Beziehung und somit das Spiel aus unserer Kindheit von neuem und die Beziehungsdynamiken aus dieser Zeit sind wiederbelebt. Wir geben dem Partner, der Partnerin den unbewussten Auftrag unsere Kindheitsverletzungen zu heilen.
Die Fragen zu diesem Zeitpunkt: was gibt es bei diesem Spiel zu gewinnen, lohnt der Einsatz und wer sind die Gewinner, wer die Verlierer? Und vor allem, auf welches Aroma, auf welche Sorte Kaffee habe ich heute Lust?
(1) Mohandas Karamchand genannt Mahatma Gandhi (1869 – 1948) war ein indischer Rechtsanwalt, Widerstandskämpfer, Revolutionär, Publizist, Morallehrer, Asket und Pazifist.
(2) Martin Buber (1878 – 1965) war ein österreichisch-israelischer jüdischer Religionsphilosoph.
(3) Buchtipp: „So viel Liebe wie du brauchst“, Dr. Harville Hendrix und Helen Hunt
(4) Imago ist eine von Dr. Harville Hendrix, seiner Frau Helen Hunt und anderen Psychotherapeuten entwickelte spezielle Form der Paartherapie, die aufgrund ihrer Behandlungserfolge weltweit verbreitet ist.
Bildnachweis: Oliver Thaler/Pixelio.de